Die Europäische Kommission hat ihren lange erwarteten Vorschlag zum digitalen Euro vorgelegt. Mit der neuen Methode sollen Menschen sowohl online als auch offline zahlen können – als Alternative zu Kreditkarte und Bargeld könnte der digitale Euro bald zum Alltagsleben gehören. Allerdings gibt es bereits Kritik an dem Vorschlag. Denn wenn es nach der Kommission geht, sind Zahlungen mit dem digitalen Euro im Nachhinein nachvollziehbar. Er bietet damit keinen ausreichenden Schutz der Privatsphäre, warnen Expert:innen.
Gearbeitet wird am digitalen Euro bereits seit 2021. Mit der Einführung des digitalen Zahlungsmittels reagiert die EU auf die Entwicklung in Staaten wie China, Großbritannien, der Schweiz und Japan, die ebenfalls an eigenen digitalen Zentralbankwährungen arbeiten. Der digitale Euro soll mit seiner Einführung offizielles Zahlungsmittel werden, das die meisten Händler:innen akzeptieren müssen. Die EU würde damit eine Alternative zu großen US-Zahlungsdiensten wie Visa oder Apple Pay schaffen.
Grundsätzlich will die EU-Kommission eine Obergrenze einführen, wie viele digitale Euros eine einzelne Person besitzen darf. Die Grenze könnte nach Stimmen aus der Europäischen Zentralbank (EZB) bei 3.000 Euro liegen. Damit will die EU verhindern, dass das Zahlungsmittel als Geldanlage oder für großangelegte Schwarzgeschäfte verwendet wird. Im Gegensatz zu Kryptowährungen sollen Zahlungen nicht dezentral, sondern zentral über ein System der EZB abgewickelt werden. Die EZB soll aber keinen Zugriff auf Transaktionsdaten erhalten.
Kontopflicht für den digitalen Euro
Verwendet werden kann der digitale Euro nur über ein Konto bei einem Zahlungsdienst. Neben privaten Diensten soll auch der EU-weite elektronische Identitätsnachweis genutzt werden können. Diese Digitale Brieftasche will die EU ebenfalls einführen, auch wenn Datenschützer:innen und Forscher:innen sich skeptisch äußern.
Eine Verwendung des digitalen Euro ohne Konto ist nach dem Vorschlag der EU-Kommission nicht möglich. Konten für den digitalen Euro sollen den EU-Regeln gegen Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Korruption unterliegen – wie heute bereits Bankkonten. Außerdem gelten für sie nationale Finanzgesetze. Es ist daher nicht möglich, anonym ein Konto in digitalen Euro zu besitzen.
Expert:innen des Europäischen Datenschutzbeauftragten hatten im Vorfeld gewarnt, eine kontenbasierte Identifizierung von Nutzer:innen des digitalen Euro könne „dazu führen, dass alle Transaktionen des Endnutzers identifiziert und möglicherweise nachverfolgt werden.“ Sie sprachen sich stattdessen für einen digitalen Euro auf Basis von Tokens aus. Bei diesen erfolgt der Nachweis der Inhaberschaft des Geldes über einen privaten Schlüssel. Dieses System könne Anonymität der Zahlung sicherstellen.
Der digitale Euro werde ein „möglichst großes Maß an Privatsphäre garantieren“, hat zuletzt EZB-Notenbanker Fabio Panetta in einem Interview versichert. Aber das bedeute nicht, dass das Zahlungsmittel „gleich privat sein werde wie Bargeld“.
„Erheblichen Verbesserungsbedarf“ bei Privatsphäre
Was online mit dem digitalen Euro gezahlt wird, erscheint auf dem eigenen Konto. Transaktionen wären damit grundsätzlich zurückverfolgbar, sagt Anna Martin vom europäischen Verbraucher:innenverband BEUC gegenüber netzpolitik.org. Damit bestehe kein Unterschied zu anderen digitalen Zahlungsformen. Der Verband sehe „noch erheblichen Nachbesserungsbedarf“ beim Thema Privatsphäre. Zumindest für niedrige Beträge sollte „Privatsphäre für Zahlungen mit dem digitalen Euro für Verbraucher:innen auch online möglich sein“, fordert Martin.
Ähnlich äußert sich der Europäische Datenschutzausschuss. Die EU-Datenschutzbehörden pochen in einer gemeinsamen Stellungnahme darauf, dass Zahlungen zumindest unter einem gewissen Schwellenwert komplett anonym sein sollen.
Nicht nur online, sondern auch offline soll mit dem digitalen Euro gezahlt werden können, direkt von Gerät zu Gerät. Das erlaubt Zahlungen zwischen Privatpersonen. Diese Funktion ähnelt Bargeld und könnte dieses womöglich im Alltag verdrängen.
Doch auch diese Transaktionen sind womöglich nachverfolgbar, sagt der unabhängige Forscher Lukasz Olejnik. „Es gibt nur wenige Kryptowährungen, die so etwas wie nicht zurückverfolgbare Transaktionen auf der Grundlage des kryptografischen Prinzips des Zero-Knowledge-Proofs bieten. In dem Entwurf wird nichts in diese Richtung vorgeschlagen.“
Der Forscher warnt, dass der Kommissionsvorschlag die Speicherung von Details zu Offline-Zahlungen lokal auf dem Gerät ermögliche. „Diese Informationen kann dann von Behörden angefordert werden“. Damit sei das digitale Zahlungsmittel nicht so privat wie Bargeld.
Diese Interpretation ihres Vorschlags wird von der EU-Kommission bestritten. Auf Daten von Offline-Zahlungen sei kein Zugriff des Zahlungsdienstes oder der EZB möglich, sagte EU-Kommissar Valdis Dombrovskis auf eine Frage von netzpolitik.org. „Sogar wenn ihr Handy gehackt würde, würde das nicht ihr Zahlungsverhalten offenlegen.“
Ob die Befürchtungen eintreten, hängt auch von der Ausgestaltung der endgültigen Digitalen-Euro-Verordnung und seinen Begleitgesetzen ab. Das EU-Parlament und der Rat der EU-Staaten müssen nun eigene Positionen zu der Verordnung beschließen, sie können auf stärkeren oder schwächeren Schutz der Privatsphäre drängen. Anschließend müssen sie über einen endgültigen Text verhandeln. Das dürfte allerdings erst nach der EU-Wahl im Juni 2024 passieren. Die Kommission kann dann in delegierten Rechtsakten weitere Details bestimmen. Wie viel Privatsphäre der digitalen Euro tatsächlich bietet, wird sich dann entscheiden.
Author: Andrew Leonard
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